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„Ich kam mir vor wie bei Jugend forscht.“

Ulf Aue berichtet von einer ganz besonderen orthopädischen Versorgung.

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Ulf Aue ist Orthopädietechniker und ein Urgestein bei Teraske. Der 62jährige ist seit 1972 in der Leinstraße in der Orthopädietechnik tätig und verfügt dementsprechend über einen sehr reichen Erfahrungsschatz. Im vergangenen Jahr hatte Ulf Aue einen ganz besonderen Kunden, von dessen Versorgung er uns hier berichtet:

Kennengelernt habe ich Gerald Gerken 2016. Der Kontakt kam über einen Geschäftspartner zustande, der unser Unternehmen empfohlen hatte. Und so kam Herr Gerken zu mir, wir tranken eine Tasse Kaffee zusammen, besprachen, welche Parameter für seine neue Prothesenversorgung wichtig sind und er erbat sich noch etwas Bedenkzeit. Acht Wochen später war er wieder da und das war der Beginn einer ganz besonderen Arbeitsgemeinschaft, die sich zu einer Freundschaft entwickelte und an deren Ende eine außergewöhnliche prothetische Versorgung stand.

Gerald Gerken verlor als Kind den Unterschenkel seines rechten Beins. Als er zu Teraske kam, war er also schon ein erfahrener Prothesenträger, dessen Körper sich sehr früh an die Bewegungsabläufe und Besonderheiten einer Prothese angepasst hatte. Er ist gelernter Maschinenbauingenieur und passionierter Läufer, der schon viele Titel gewonnen hat und auch einen eigenen Lauftreff organisiert, bei dem er andere Läuferinnen und Läufer coacht. Dort bietet er professionelles Training an und macht Menschen fit für kleinere Volksläufe oder sogar Marathonveranstaltungen. Herr Gerken brauchte eine spezielle Prothese, die den Belastungen bei einem Mittelstreckenlauf bis zu 5 km genauso gewachsen sein musste wie einem 42,3 Kilometer langen Marathonlauf.

Es folgte eine Phase der Beratung, Anamnese seiner körperlichen Fitness, Abstimmung mit der Krankenkasse und immer wieder Anproben und Testläufe. Vor einer prothetischen Versorgung werden die körperlichen Parameter des Patienten erhoben: Wie ist es um die kognitiven Fähigkeiten bestellt? Wie ist der muskuläre Status? Wie ist das Gewicht? Wie gesund ist die Lebensweise? Auf dieser Basis wird dann eine Mobilitätseinstufung vorgenommen. Die Stufen reichen von 0 – 4,5. Gerald Gerken kam mühelos auf 4,5.

Auch sogenannte Alltagsprothesen müssen natürlich viele Vorgaben erfüllen, sind aber mit Sportprothesen nur bedingt vergleichbar. Die Prothese eines Läufers ist ganz anderen Kräften ausgesetzt, so dass die Materialvoraussetzungen schon sehr speziell sind. Das Material muss extrem langlebig sein und eine gute Dämpfungsfähigkeit besitzen. Auch die Stumpfbettung ist enorm wichtig, um die bei so einer Belastung entstehenden Scherkräfte abzufangen und Hautrisse zu vermeiden.

Wir entschieden uns für eine Prothese der Firma Endolite, deren britische Muttergesellschaft Blatchford seit fast 130 Jahren im Bereich der Orthopädie- und Rehabilitationstechnik tätig ist. Und es war dieser Austausch zwischen einem erfahrenen Sportler mit viel technischem Wissen, einem sehr engagierten und erfahrenen Prothesenhersteller und einem Orthopädietechniker mit jahrzehntelanger Berufserfahrung, der dazu führte, dass Gerald Gerken eine so passgenaue Sonderversorgung erhielt.

In unzähligen Testläufen haben wir immer wieder den Fuß der Prothese neu eingestellt, die Abrollfähigkeit optimiert, die Stumpfbettung kontrolliert, die Dämpfung angepasst und sämtliche Parameter so lange feinjustiert, bis Herr Gerken damit bei jedem Tempo, jeder Witterung und auf jedem Untergrund sicher unterwegs war. Um diese ganzen komplizierten Einzelschritte jederzeit nachvollziehen zu können, haben wir jeden Handgriff elektronisch dokumentiert. Es war für uns alle ein learning by doing, von dem alle Beteiligten in Zukunft bei weiteren Versorgungen meiner Überzeugung nach sehr profitieren werden.

Nach etwa drei Monaten kam Gerald Gerken wieder mal zu einer Anprobe in die Leinstraße. Die ersten Anproben werden nur in der Filiale gemacht, an diesem Tag sollte er die Prothese aber endlich mal draußen testen können. Herr Gerken zog also die Prothese an, verließ unsere Filiale – und war verschwunden. Ich wartete und wartete, wurde irgendwann schon etwas unruhig und plötzlich war er wieder da und nickte anerkennend. Er hatte kurzerhand einen 4,6 Kilometer langen Probelauf durch Hannover gemacht und war zufrieden.

Mittlerweile ist die Versorgung abgeschlossen. Alle sechs Monate warten und kontrollieren wir die Prothese. Verschleißteile müssen ausgetauscht und alle Verschraubungen kontrolliert werden. Wir achten auch immer penibel auf eine einwandfreie Passgenauigkeit am Schaft der Prothese, da es sonst, beispielsweise bei Gewichtsveränderungen, zu sehr unangenehmen Verletzungen des Hautgewebes am Stumpf führen könnte.

Unabhängig von diesen Terminen gibt es immer noch einen freundschaftlichen und regelmäßigen Kontakt zwischen allen Beteiligten. Wir sehen uns auf den einschlägigen Fachmessen und Gerald Gerken, dem das Thema Inklusion ein großes Anliegen ist, tauscht sich auch regelmäßig mit anderen Betroffenen aus. Mir wird diese Versorgung immer in Erinnerung bleiben als ein Beispiel dafür, was technisch alles möglich ist, wenn man gemeinsam und motiviert Hand in Hand arbeitet. Mein ganz besonderer Dank gilt Torben Hennecke von Endolite, der mich immer großartig unterstützt hat und für den es nie Probleme, sondern nur Lösungen gab.